Dienstag, 26. Februar 2019

Kinderschutzgipfel in Rom vom 21.-24.2.2019


Die weltweit wichtigsten Entscheidungsträger der katholischen Kirche waren zu dieser Konferenz gegen Missbrauch in der Kirche gekommen: Die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen aller Erdteile mit ihren so unterschiedlichen kulturellen Perspektiven.
Sie diskutierten 21 Reformanliegen, die Papst Franziskus vorgelegt hatte. Wir können feststellen, dass die meisten davon in unserer Diözese Innsbruck bereits seit 2010 verwirklicht sind: Die Zusammenarbeit mit der staatlichen Gerichtsbarkeit ohne jede Vertuschung, eine Rahmenordnung der österreichischen Bischofskonferenz gegen Missbrauch, die Einrichtung einer diözesanen Ombudsstelle für Opfer kirchlicher Gewalt und einer unabhängigen Kommission mit Fachleuten von außen, eine diözesane Stabsstelle für Kinder- und Jugendschutz, Zahlungen als Entschädigung und für Therapie, Bestrafung der Schuldigen, …
Von erschütternder Kraft waren bei dieser Konferenz in Rom die persönlich vorgetragenen Berichte von Opfern klerikalen Missbrauchs, auch beim Bußgottesdienst mit dem Eingeständnis der Schuld der Kirche durch die Bischöfe mit dem Papst. Per Live-Stream konnte man dieser Liturgie folgen. Besonders stark waren die Stellungnahmen einer afrikanischen Ordensoberin und einer mexikanischen Journalistin. Letztere fragte die Bischöfe eindringlich: Habt ihr wirklich entschieden, dass ihr auf der Seite der Opfer von Missbrauch steht?
Deutlich sprach Kardinal Marx kirchenrechtliche Gründe für Missbrauch in der katholischen Kirche an. Dabei nannte er das Päpstliche Geheimnis, das nicht nur das Opfer und die Rechte eines Angeklagten schützt, sondern auch die vatikanischen Behörden der Kontrolle, der Rechenschaftspflicht, der Transparenz und Nachvollziehbarkeit entzieht.
Bischof Marx erinnerten auch an den Missstand, dass im geltenden Kirchenrecht nur Priester und Bischöfe die Möglichkeit haben, gegen kirchliche Verwaltungsakte und Strafurteile Widerspruch einzulegen.
Erst einen Tag nach der Konferenz wurden konkrete Vorhaben veröffentlicht: Ein für alle Diözesen absolut verbindliches Regelwerk für den Umgang mit Missbrauch und eine Task Force, die die Diözesen bei dessen Umsetzung unterstützen wird.
Die systemischen Gründe für Missbrauch, wie die klerikale, bischöflich-monarchische, männerbündischen Drei- Stände-Verfassung der Kirche, die den Missbrauch von Macht begünstigen, wurden noch wenig bedacht. Auch der Zusammenhang mit dem die Pfarrgemeinden bedrängenden Priestermangel wurde noch wenig wahrgenommen.
Die Bischöfe und der Papst haben kirchenrechtlich alle Macht in ihren Händen. Ob sie diese Macht im Dienst am Evangelium, an der gesamten Tradition, an den Menschen und der Kirche entschieden einsetzen, um die Verfassung und die Lehre der Kirche von autoritären und überkommenen alten Zöpfen zu befreien? Oder ob sie die Konzentration der Macht in ihren Händen schützen?
Liebe Brüder Bischöfe: ihr habt es in der Hand! Zu einer wieder glaubwürdigen Kirche ist es noch ein weiter Weg, die Richtung aber stimmt. Habt den Mut weiterzugehen! Die Zeichen der Zeit sind deutlich und drängend! Lassen wir unsere Pfarrgemeinden nicht im Stich!

Dekan Bernhard Kranebitter, Sprecher der Pfarrerinitiative Innsbruck

Donnerstag, 14. Februar 2019


Predigt von Pfr. Bernhard Kranebitter am 10.2.19

In dieser Woche waren die Nachrichten voll von Berichten zu dem Gespräch von Kardinal Christoph Schönborn mit der jungen ehemaligen Ordensfrau Doris Wagner im bayerischen Fernsehen.
Doris Wagner hat in zwei Büchern von ihrer Missbrauchserfahrung in ihrer kirchlichen Gemeinschaft und konkret auch vom sexuellen Missbrauch durch einen Priester und sexueller Bedrängung durch einen zweiten geschrieben. Der Titel des ersten Buches „Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte einer Ordensfrau.“ In ihrem zweiten Buch beschreibt sie den „Spirituellen Missbrauch in der katholischen Kirche“.
Der zweite Priester war viele Jahre in leitender Position in der Glaubenskongregation tätig und ist wie in der TT und in ZEIT-online berichtet, erst Ende Jänner dieses Jahres zurückgetreten. Für uns in der Diözese Innsbruck ist dabei besonders verstörend, dass er es war, der in den vergangenen Jahren gezielt negative Nachrichten diskreditierend über Personen unserer Diözese gesammelt und kirchenpolitisch eingesetzt hat. Das hat Bischof Manfred Scheuer immer wieder große Schwierigkeiten bereitet und war ein wichtiger Grund, warum der Prozess der letzte Bischofsernennung so lange gedauert hat und so unerfreulich gelaufen ist, wenn auch mit einer letztendlich wirklich guten Bischofsernennung.
Es ist mir wichtig, dass wir der bekannten und unbekannten Opfer solchen Geistlichen Missbrauchs auch in unseren Gottesdiensten gedenken, dass wir der Opfer auch unter den Mädchen von Martinsbühel und wo auch immer gedenken. Wo wenn nicht hier in der Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Herrn, der selbst zum Opfer geworden ist, können und sollen wir das tun. Wir beten auch für die Täter, die nicht selten selbst Missbrauch erlebt haben.
Und es ist wichtig zu sagen, wo es höchste Zeit ist nicht bei der Betroffenheit stehenzubleiben, sondern weiterführend zu handeln. Die Einrichtung der diözesanen Stabsstelle für Kinder- und Jugendschutz, der Ombudsstelle für Opfer von Gewalt, der diözesanen Kommission und der Klasnic Kommission mit ihren finanziellen und therapeutischen Hilfeleistungen in unserer Diözese waren wichtige Schritte.
Nun aber müssen entschieden die „systemischen“ Gründe angegangen werden. Wir wissen inzwischen zur Genüge, dass geistlicher und sexueller Missbrauch seine Wurzel im Missbrauch von Macht innerhalb intransparenter, autoritärer Strukturen hat. In der Kirche ist das der klerikalistische Machtmissbrauch von Bischöfen und Priestern. Dieser kann sich so hartnäckig halten, weil die Kirche juristisch so etwas ist wie eine absolutistische Monarchie ist. Rechtlich gesehen liegt bei ihr alle Macht bei den männlich-zölibatären Bischöfen und Priestern. Ich bin zwar überzeugt, dass ein Großteil der Bischöfe und Priester diese Macht mit großem Einsatz als einen aufbauenden Dienst an allen Gläubigen einsetzt. Aber diese Macht kann auch leicht dazu verführen sie für sich und gegen andere zu missbrauchen.
Es braucht dringend Grundrechte für alle Getauften in der Kirche, es braucht eine volle Rechenschaftspflicht von Bischöfen und Priestern sowie Kontrolle, es braucht  die Reform eines übersteigerten und sakrosankten Priesterbildes und die volle gleichberechtigte Beteiligung der Frauen bis hinein in alle Ebenen der Leitung und des Amtes.
Kardinal Schönborn hat beim Gespräch mit Doris Wagner einen menschlichen Mut gezeigt. Jetzt aber braucht es Entscheidungen auf der Ebene des Kirchenrechtes und der Kirchenverfassung, auch vom Kardinal selbst, von den Bischöfen und vom Papst. Auch deshalb, weil wir in unserer Diözese inzwischen ganze Seelsorgeräume nicht mehr besetzen können: z.B. muss der Pfarrer und Dekan von Telfs bis Ende August zusätzlich die Verantwortung für den Seelsorgeraum Inzing-Hatting-Polling übernehmen.
Was hilft uns in dieser verstörenden Zeit? Die Erinnerung, dass wir nicht an die Kirche, sondern an das Kommen des Reiches Gottes und den dreieinigen Gott glauben. Mein Namenspatron der Hl. Bernhard hat es einmal etwas kompliziert so formuliert: weswegen ich nicht gekommen bin, deswegen gehe ich auch nicht. Wir sind letztlich nicht wegen Bischöfen, Päpsten und Priestern zum Glauben gekommen, so wichtig sie oft auch für uns gewesen sein mögen. Der Grund, auf dem wir stehen ist das Evangelium vom erlösenden, gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus. So haben wir Im Eingangslied gesungen: „Stelle dich auf festen Grund, auf Gott, der dich und mich, die ganze Welt, die ganze Welt in seinen Händen hält. Unser Leben ist gegründet in Gott, dem Vater … in Christus … im Geiste, der uns drängt zur Tat …“ David 167.
Bernhard Kranebitter, Pfr.